Ein Bericht eines Nachkommen der Familie Pump. Vielen lieben Dank für die Einsendung!
Besuch in Revenow im Mai 1996
Ich kannte Revenow nur aus den Erzählungen meines Großvaters Erich Pump.
Er berichtete immer von seinem Bauernhof in Revenow sowie seiner Kindheit in der Stadt Wollin, in der er im „ersten Hotel am Platz“ gerne seinem Vater Wilhelm geholfen hatte, der dort wohl eine Zeitlang als Kellner arbeitete. Ebenso berichtete er vom Schwimmen im Fluss Dievenow, einem Mündungsarm aus dem Stettiner Haff in die Ostsee.
Aus all den Erzählungen konnte man heraushören, wie sehr er seiner Heimat nachtrauerte, ohne Aussicht, diese aufgrund der weltpolitischen Trennung in Ost und West jemals wiedersehen zu können. Er ist auch zeitlebens nie mit der Mentalität der Rheinländer „warm“ geworden, wo er seit 1951 in Roggendorf, Mechernich mit seiner Familie lebte. Er hatte immer sehr großen Wert darauf gelegt, dass er vertrieben wurde und nicht geflohen sei. Meine Großmutter Gertrud Pump, geborene Buntrock habe ich nie kennen gelernt, sie ist bereits 1951 verstorben. Buntrock war eine alteingesessene Bauernfamilie aus Revenow.
Mein Großvater ist dann 1985 an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben, er hat seine Heimat nie wieder gesehen.
Mein Vater kann sich nur an sehr wenig aus der Zeit in Revenow erinnern, war er doch zum Zeitpunkt der Vertreibung erst 8 Jahre alt. Die Reise ging dann zunächst nach Schleswig-Holstein und dann aber recht schnell weiter nach Schwerfen, Mechernich ins Rheinland. Ab 1951 wohnten sie dann in Roggendorf, Mechernich, wo mein Großvater wieder Landwirtschaft betrieb.
Für mich als zu dieser Zeit Jugendlicher waren diese Geschichten und Erzählungen von „damals“ so weit weg und aufgrund des „kalten Kriegs“ unerreichbar. Erst das „Wunder“ der Maueröffnung und der Wiedervereinigung ein Jahr später ermöglichten dann auch Reisen in den heute polnischen Teil Pommerns.
Mein Vater ist aber leider nicht allzu interessiert daran, seine Heimat aus Kindertagen wiederzusehen. Daher haben meine Frau und ich uns dann im Mai 1996 im Rahmen unseres dritten Rügen-Urlaubes entschlossen, Revenow zu besuchen!
Wir waren damals lediglich „ausgestattet“ mit einem Foto von der Rückseite des Hofes, auf dem man gerade einmal die Scheunen rechts und links erkennen konnte, sowie Teile des Haupthauses im Hintergrund. Im Vordergrund war mein Vater als Kind mit einer Ente im Arm.
Damals konnte man noch nicht in Swinemünde mit dem Auto über die Grenze fahren. Daher sind wir zunächst mit dem Auto nach Ahlbeck gefahren, von dort zu Fuß durch Swinemünde bis zur Swine, haben mit der Personenfähre übergesetzt und wollten eigentlich von dort eine Bahn nehmen. Hierbei mussten wir aber erstmalig feststellen, dass niemand deutsch sprach und uns weiterhelfen konnte, was uns zunächst sehr verwunderte. Erst im Nachhinein war dies für uns nachvollziehbar, war doch auch die Grenze zwischen der DDR und Polen bei weitem nicht so durchlässig, wie wir es kannten. Und die in den Westgebieten Polens angesiedelten Menschen sprachen allesamt kein Deutsch. Wie sich dort herausstellte, sind wir wohl ein wenig zu naiv an unseren ersten Besuch herangegangen. Daher haben wir uns dann für mehrere Stunden ein Taxi gemietet, und sind mit diesem dann nach Wollin, Cammin und auch Revenow gefahren, die Kosten mit damals 40 DM für fanden wir sehr günstig, verglichen mit den Taxipreise, wie wir sie kannten.
In Revenow angekommen, versuchten wir anhand des Fotos den Hof meines Großvaters zu finden. Trotz der wenigen Häuser in Revenow ist uns das zunächst nicht gelungen, sah doch kein Hof aus wie der auf dem Foto. Für uns erschien in dem Ort aber die Zeit seit Kriegsende stehen geblieben zu sein, es sah so aus wie 1945.
Die Verständigung im Ort war zunächst sehr schwierig, erst als auf einmal ein älterer Mann geholt wurde, der deutsch sprach (er stammte wohl aus Mecklenburg) kamen wir weiter. Er ging mit uns zu dem Hof meines Vaters und konnte auch erklären, warum wir diesen nicht so ohne weiteres anhand des Fotos finden konnten. Er berichtete von einem Feuer in den 50er Jahren, in Folge dessen beide Scheunen abbrannten und nur noch das Haupthaus stehen blieb.
Hineingegangen sind wir damals nicht, wollten wir doch nicht den Eindruck erwecken, als ginge es um das Zurückfordern alten Besitzes, schließlich ging es uns ausschließlich um unsere Familiengeschichte. Fotos haben wir aber doch einige wenige vom Hof und auch von Revenow gemacht. Wie man erkennen kann, war der Hof meines Großvaters 1996 noch gänzlich unrenoviert, auf den Bildern von heute sieht das Haus schon wieder ganz anders aus.
Unser Dolmetscher (der „Mecklenburger“) lud uns dann noch zu sich nach Hause ein, wo wir noch eine nette Zeit mit ihm verbrachten und er uns noch einige Geschichten aus und zu Revenow erzählte, an die wir uns im Detail aber nicht mehr erinnern können. Lediglich dass er uns auf die Frage nach dem Friedhof (in Jassow) antwortete, das dieser schon längst nicht mehr existiere und die Gräber schon längst geräumt wären.
Mich hat der Besuch seinerzeit sehr bewegt, auch wenn ich keinerlei direkten Bezug zu diesem Örtchen Revenow, geschweige denn zu diesem Haus hatte. Man konnte anhand der kleinen, unbedeutsamen Familiengeschichte aber Weltgeschichte hautnah nacherleben. Wir haben uns nun fest vorgenommen, Revenow in den nächsten Jahren auf jeden Fall erneut einen Besuch abzustatten.